Wenn Nachbarschaftskriege die Behörden beschäftigen
PEGNITZ/BINDLACH. Nachbarschafts-Streitigkeiten sind keine Seltenheit. Sie beherrschen den Alltag von Polizei und Justiz. In Bindlach und Pegnitz haben sich aktuell zwei Beispiele in die Öffentlichkeit gerückt.
Die Schauplätze, um die es geht, haben Potenzial zur Idylle. Einfamilienhäuser reihen sich aneinander. In Bindlacher Berg ebenso wie in Pegnitz. Abgelegen von der Stadt leben hier Familien, meist über Generationen hinweg. Nicht selten werden auch die Fronten an den Zäunen weitervererbt.
In solch einer Idylle fühlt sich eine Familie in Bindlacher Berg „vom Nachbarn tyrannisiert“, wie der Kurier in seiner Wochenendausgabe berichtet. Die Grundstücksgrenze ist nur drei Meter vom Haus weg. Die Bäume des angeblich bösen Nachbarn kommen noch näher. „Sie sind mittlerweile höher als unser Haus. Bei starkem Wind berühren sie es“, sagt der vermeintlich Geschädigte. In die Zimmer und auf die Terrasse kommt kaum Licht; Laub fällt überallhin. „Unsere Terrasse ist schon ganz grün.“ Der 23-jährige Anwohner ist einer dieser „Streiterben“. Er kennt den Nachbarstreit von klein auf. 2004 bauten seine Eltern ihr Haus; der Nachbar und seine Familie waren etwas eher dran. Die hohen Bäume sind nicht das einzige, was die Familie nervt. Der Nachbar hat mehrere schwenkbare Kameras auf seinem Grundstück. Beweisen kann sie nichts, aber die Familie hegt aufgrund ihrer Beobachtungen einen Verdacht. „Der filmt uns.“
Ein weiterer Streitpunkt: Lärm. „Er hängt Segel, Fahnen und Windspiele in die Bäume“, erzählt der 23-Jährige im Kurier. Bei Wind mache das gehörig Krach. Außerdem soll der Nachbar Leuchtstrahler auf das gegnerische Haus richten. Und Gartenabfälle soll er gerne zwischen Grundstücksgrenze und Gartenhaus entsorgen. „Dabei habe ich ihn beobachtet“, sagt der Großvater der Familie. Ihn habe der Nachbar auch wegen Beleidigung angezeigt. Was genau gefallen ist, dazu äußert sich niemand.
Kameras und ständige Anzeigen in Pegnitz
Um aufgestellte Kameras geht es unter anderem auch im Pegnitzer Ortsteil Neudorf. Hier sei der Krieg am nicht vorhanden Zaun noch etwas jünger, sagen die Beteiligten. Ein ehemaliger Polizist hat hier das Grundstück samt Einfamilienhaus und Scheune von einem allein stehenden Landwirt gekauft. Doch der alte Mann sei übers Ohr gehauen worden, sagen die Nachbarn. Einige Menschen aus dem Dorf hätten sich für das Grundstück interessiert, der Verkauf soll fast perfekt gewesen sein. Dann habe sich der ehemalige Beamte in das Leben des Landwirts „reingeschleimt“, sagen die Nachbarn. Schnell war das Grundstück dann übereignet. Angeblich völlig überteuert. Das soll der Start für einen Krieg an einem nicht vorhandenen Zaun gewesen sein.
Der neue Eigentümer renovierte das baufällige Haus zügig, wollte es renovieren. Dabei soll er mit einem Hubkran einen Grenzstein um einen Zentimeter verdrückt haben. Schnell wurde das Vermessungsamt gerufen und alle Linien neu vermessen und Grenzsteine gesetzt. Im weiteren Verlauf riss der alte Nachbar wohl einen Unterstand auf dem Grund des neuen Eigentümers ab. Zeitgleich störte er sich an einer gepflasterten Fläche, die 30 Zentimeter von der Grenze weg errichtet wurde. Er rief deswegen Polizei und Bauamt an, forderte einen sofortigen Stopp der Maßnahmen. Doch die Behörden konnten keine Verstöße feststellen.
Fremde Gestalten gefilmt
Weil immer wieder Gegenstände auf dem Grundstück des neuen Eigentümers verschwunden sind, in der Nacht Geräusche zu hören waren und auch der Bewegungsmelder immer wieder ansprang, wurden Kameras auf dem Anwesen installiert. „Mehrere“, sagt der ehemalige Beamte. Mehr will er dazu nicht sagen. Sie würden aber allesamt nur seinen Bereich filmen und sein neuer Mieter sei damit einverstanden. Der fürchtet nämlich nicht nur um sein Hab und Gut, sondern auch das Wohl seiner Familie. Die kleine Tochter habe mehrfach fremde Gestalten entdeckt. Einmal habe man deswegen sogar die Polizei gerufen. Auf den neuen Kameras waren dann jeweils zwei Männer zu sehen. „Einer sogar mit einer Stirnlampe“, sagt der Vermieter. Auf den der Redaktion vorliegenden Bildern sieht man das deutlich. Auf Nachfrage verweigerten die Nachbarn allerdings ihre Beteiligung zunächst. Als das Foto im Internet landete, „um Zeugen zu suchen“, wie der neue Mieter sagte, wurde man vom Nachbarn anwaltlich aufgefordert, diese zu löschen. Man habe nur etwas im Grenzbereich überprüft, so die Argumentation. In der Folge wurden dann noch mehr Kameras aufgestellt.
Depressionen zur Folge
Am meisten setzen solche Streitigkeiten dem Umfeld der direkt betroffenen zu. In Bindlacher Berg ist es die Mutter der Familien, die bereits Depressionen hat. Im September 2018 erlitt sie einen Nervenzusammenbruch, als sie sah, wie der Nachbar den Winkel einer Kamera veränderte. „Wir wissen nicht, warum er das macht“, sagt der Vater. Los ging es hier angeblich mit der Diskussion um die Bäume. Den Grenzabstand von zwei Metern, der laut eines Schreibens der Gemeinde Bindlach aus 2012 für Pflanzen über zwei Meter Höhe gilt, beachte der Nachbar nicht.
Über die Jahre nahmen dann Fahnen, Windspiele und Co. zu. Es fällt auf: Das meiste Zeug hängt nur in Richtung der Familie; nicht zu anderen Nachbarn hin. „Wir haben oft versucht, mit ihm zu sprechen“, sagt Vater Thomas F., doch der Nachbar lache dann hämisch, zücke sein Handy und filme. Ob das stimmt, ist nicht zu belegen. Auch zu den Beweggründen gibt es nur Vermutungen. Genau wie in Pegnitz. Beweise gibt es überall kaum. Vielleicht, so die Bindlacher Spätaussiedler aus Kasachstan, die seit 1989 in Deutschland leben, spielt ihre Herkunft eine Rolle. Ausländerfeindliche Sätze seien gefallen. In Pegnitz sei der angeblich übers Ohr gehauene Landwirt schuld.
Auch andere Nachbarn klagen
Vielleicht mache es dem Nachbarn aber einfach Spaß, sie zu ärgern. „Er hat an Allerheiligen den Rasen mit Hochdruckreiniger sauber gemacht.“, sagt einer der Anlieger in Bindlacher Berg. Auch andere Nachbarn klagen. Genannt werden wollen die meisten nicht, bestätigen aber die Erzählungen der Familie. Eine Nachbarin spricht: „Einfach nur schlimm“, sei die Situation. Auch auf ihr Grundstück hängen Bäume und fällt Laub. „Bei einem Sturm hat ein Ast gegen das Garagendach gepeitscht und einen Ziegel abgedeckt.“ Auch sie schließt ausländerfeindliche Motive nicht aus. Zwischen ihrem Ex-Mann, einem Polen, und dem Nachbar gab es 2008 eine Schlägerei. Es ging um den Bau der Garage auf der Grundstücksgrenze.
In Bindlacher Berg kämpft die Familie jetzt um ihre Ruhe. Bei der Gemeinde hieß es aber auf Kurier-Nachfrage: nicht zuständig. Auch stellte die Familie Anzeige bei der Polizei Bayreuth-Land. Sie wurde – wie auch die wegen Beleidigung – an die Staatsanwaltschaft Bayreuth geleitet und mangels öffentlichen Interesses eingestellt. Es wird auf den Privatklageweg verwiesen, was nicht ungewöhnlich ist, wie Leitender Oberstaatsanwalt Martin Dippold mitteilt: „Nachbarschaftsstreit geht selten über den sozialen Nahraum hinaus.“ Fälle wie der am Bindlacher Berg seien häufig, ebenso wie Debatten um Kameras.
Anwälte fechten weiter
Das bestätigen auch die Beteiligten aus Pegnitz. Der eine Nachbar hat den ehemaligen Polizisten schon mehrfach angezeigt. Bei der Polizei, dem Bauamt; alles eingestellt. Und nun kam zu Weihnachten ein Anwaltsschreiben. Man wolle eine Unterlassungsklage anstreben, wenn sich der Grundstückseigentümer nicht einsichtig zeige und einem freiwilligen kostenpflichtigen Strafversprechen widersetze. Dabei geht es wieder um die Kameras und den 30 Zentimeter breiten Grenzstreifen, der wohl keinem der Beteiligten irgendetwas einbringt.
Auch die Familie aus Bindlacher Berg wandte sich an einen Anwalt. Stefan Frey, Rechtsberater beim Haus- und Grundbesitzerverein Bayreuth. Er findet: „Es ist eine relativ eindeutige Lage. Die Familie wird belästigt und hat einen Unterlassungsanspruch.“ Doch auch der Nachbar nahm einen Anwalt, der nicht erreichbar war, und klagt auch auf Unterlassung. Weil die Nachbarn der Baumüberhang zurück schnitten. Im Januar steht hier ein außergerichtlicher Schlichtungstermin beim Notar an. Falls man sich nicht einigt, will die Familie klagen.
In Pegnitz droht der selbe Schritt. Der dauerangezeigte Nachbar widersprach einer Unterlassungserklärung und will auch die Rechtsanwaltskosten nicht des Gegners nicht tragen. „Weil dazu kein Rechtsgrund besteht“, sagt der ehemalige Polizist.
Ruhe am Gartenzaun wird wohl so schnell nicht einkehren. Weder in Pegnitz, noch in Bindlacher Berg.
Auf gute Nachbarschaft.
Aus dem Polizeibericht:
BAMBERG Zu einem ungewöhnlichen Fall eines Nachbarschaftsstreites kam es am Mittwochnachmittag. Ein 39-jähriger Mann drang hierbei gewaltsam in die Wohnung seiner 19-jährigen Nachbarin ein und fing diese grundlos an zu Würgen. Weiterhin schlug er mit einem Brecheisen auf die Möbelstücke der jungen Frau ein. Bei Eintreffen der Streife hatte sich der Mann bereits wieder in seine Wohnung zurückgezogen. Als er von den Beamten angesprochen wurde, schrie er auch diese an und bedrohte die Polizeibeamten. Nur unter größter körperlicher Anstrengung war es den Beamten möglich, den Beschuldigten zu fesseln. Gegen den Beschuldigten wurde im Anschluss Haftbefehl erlassen. Nunmehr befindet er sich in der Justizvollzugsanstalt. Die junge Frau und auch ein Polizist wurden durch den Beschuldigten leicht verletzt.
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