Lehrer gegen Arzt: Öffentlicher Streit im Bayreuther Stadtrat
BAYREUTH. Der Streit um die Liveübertragung der Bayreuther Stadtratssitzungen im Internet ist noch nicht beigelegt. Im Gegenteil: Er geht in die nächste Runde. Zwei Stadträte giften sich an, tragen den Zwist über „öffentliche Briefe“ bei Facebook aus.
Wolfgang Gruber, der für die DU (Die Unabhängigen) im Bayreuther Stadtrat sitzt, hat einen Antrag für die vergangene Stadtratsitzung gestellt. Er will eine Veränderung herbeiführen. Dabei geht es um die „Verbesserung der Livestream-Übertragungen“. Das Thema war auch einer der vielen Tagespunkte. In der inhaltlichen Darstellung sehen die Mitglieder von DU ein großes Problem. Verspätungen und Unterbrechungen könnten nicht nachvollzogen werden. Außerdem sei es völlig unverständlich, warum sich nicht alle Mitglieder des Stadtrats filmen lassen würden, obwohl sie doch bewusst ein öffentliches Amt ausüben, erläutert Wolfgang Gruber.
Im Ältestenausschuss wurde der selbe Antrag der DU bereits abgelehnt. Man sei sich zwar einig, dass die Durchführung derzeit nicht optimal sei, man wolle aber keinen Druck auf die Mitglieder ausüben, die einer Liveübertragung ihrer Redebeiträge widersprochen haben. Bei der gestrigen öffentlichen Debatte dazu fehlte der Antragsteller allerdings, was Stadtrat Thomas Bauske ausdrücklich monierte. Dr. Gruber, der laut eigenen Angaben noch ein Kind operieren musste, äußerte sich in einem offenen Brief zu Bauskes Äußerungen. Dafür bekommt er im Netz viel Zuspruch. Zumindest auf seiner Facebookseite.
Lieber Thomas,
gestern konnte ich erst verspätet gegen 16.45 Uhr an der Stadtratssitzung in Bayreuth teilnehmen, weil ich gegen 15 Uhr noch notfällig einen Knochenbruch bei einem 14jährigen Schüler verschrauben musste. Ich denke sogar, aus Deiner Schule. Kurz vorher war mein Antrag „Verbesserung der Livestream-Übertragungen“ als Tagesordnungspunkt besprochen worden. Du hattest leider nichts besseres beizutragen, als Dich öffentlich über meine Abwesenheit aufzuregen und die Ernsthaftigkeit meiner Stadtratstätigkeit in den Zweifel zu ziehen. Es sei unverschämt Anträge zu stellen, und dann nicht anwesend zu sein. Mein Bürgerverein „DU – Die Unabhängigen“ sei zu „DU – Die Unsichtbaren“ mutiert.
Mit ist schon klar, dass sich Deine Sicht auf ein normales Erwerbsleben offenbar etwas verschoben hat, halten sich Deine beruflichen Belastungen im Hinblick auf feste Arbeitszeiten doch sehr in Grenzen. Nun möchte ich kein Berufs-Bashing betreiben, aber als Lehrer kann man sicher viele Tätigkeiten zeitlich flexibel handhaben und manchmal soll man ja sogar mehrere Wochen dafür zur Verfügung haben. Ganz offensichtlich erlaubt Dir Dein Beruf am Wochenende und auch unter der Woche viele Veranstaltungen in der Stadt zu besuchen, um gute Gespräche zu führen, kulturellen Veranstaltungen zu lauschen und/oder sich so gut verköstigen zu lassen. Zur Zeit verwöhnst Du uns ja auch mit täglichen fotografisch dokumentierten Posts über die Ereignisse.
Da ist in meinem Beruf anders. Ich muss mich um meine Patienten in der Regel an 6 von 7 Wochentagen kümmern, beginne meinen Arbeitstag meist um 6 Uhr und gehe dann nach Hause, wenn auch der letzte versorgt wurde. Da wird es auch gerne mal 22 Uhr. Stadtrat sein, heißt für mich, gestaltend mitzuwirken und an meine Stadt auch etwas zurückgeben zu können, aber eben im Rahmen meiner beruflichen Möglichkeiten. Natürlich stelle ich auch Anträge, wie den zum Live-Stream. Kollegen, die sich wählen aber nicht filmen lassen wollen….. dafür habe ich kein Verständnis.
Nun stelle ich meine Anträge auch anders als Du. Ja, ich stelle sie ohne große Verabredungen in der „Gestaltungsmehrheit“, die in irgendwelchen Räumen abseits der ohnehin vielen regulären Termine in kleiner Runde tagt, weil ich am Ende immer auch auf vernünftige Zustimmung der Kollegen rechne und diese Nebenabreden als zumindest fragwürdig empfinde. Dafür bin ich nicht im Stadtrat, auch wenn ich dann in Kauf nehmen muss, so manchen Antrag ins Leere zu stellen.
Sollte Dir ein Stadtrat lieber sein, der nur noch aus Privatiers, Pensionären, Rentnern und Lehrern besteht, kann ich Deine Kritik nachvollziehen.
Sei beim nächsten mal aber bitte so fair und rege Dich über mich oder meinen Wählerverein „Die Unabhängigen“ dann auf, wenn ich auch anwesend bin. Machen wir Dir und der SPD wirklich so viel Angst, dass man die Angriffe nur so führen kann? Deshalb heute offenes Visier und offener Brief. Mit der Bitte um Besserung. (Wolfgang Gruber)
Bei der Debatte zur Änderung der Livestream-Übertragung kam es dann zur Ablehnung. Auch die Erstellung einer Mediathek, wo man später alles nochmal abrufen könnte, verbiete sich laut Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe aus datenschutzrechtlichen Gründen. Thomas Bauske nahm den offenen Brief von Wolfgang Gruber zur Kenntnis und reagierte mit einem eigenen Posting bei Facebook.
Lieber Wolfgang, zunächst freut es mich, dass du gestern einem Jugendlichen medizinisch helfen konntest – egal auf welcher Schule er ist. Ich wünsche ihm gute Besserung! Du wirst es ja wohl auch nicht ehrenamtlich gemacht haben und damit auch dir, deiner Familie und deiner Firma geholfen haben. Ich kann aber Persönliches und Inhaltliches im Gegensatz zu dir trennen. Beim Tagesordnungspunkt 8 „Änderungen in Inhalt, Form und Ankündigung der Livestream-Übertragungen aus dem Stadtrat“ habe ich mich – wie auch schon am Montag im Ältestenausschuss – zu Wort gemeldet und meine inhaltliche Position klar gemacht.
Vielleicht ist dir entgangen, was auf der Homepage deines Wählervereins steht: „Lediglich drei Stadträte (Thomas Bauske und Elisabeth Zagel von der SPD sowie Franz-Peter Wild von der CSU) stimmten gegen den Vorschlag der Verwaltung, den DU-Antrag abzulehnen.“ Inhaltlich sind wir also ganz nah beieinander – ich konnte sogar durch meine Anwesenheit in beiden Sitzungen weitere, konstruktive Lösungsvorschläge machen, damit sich die Situation zukünftig verbessert. Du nicht! Und ja, es ärgert mich schon, wenn Antragssteller ihre Sache nicht ordentlich vorstellen, begründen und dafür kämpfen – gerade dann, wenn man so unabhängig sein will und mit Kolleginnen und Kollegen im Vorfeld nicht darüber sprechen mag.
Die Sitzungen der Ausschüsse und des Stadtrats sind die demokratisch legitimierten Gremien, wo wir diskutieren und eine gemeinsame Lösung finden können. Wenn man in beiden Sitzungen nicht anwesend ist und selbst Vertreter aus der eigenen Fraktion bzw. dem Wählerverein nichts dazu beitragen – nicht einmal gegen die Ablehnung stimmen, dann scheint man nicht mal mit seinen eigenen Leuten sprechen zu wollen. Das gehört aber tatsächlich auch zur Arbeit als Mitglied des Stadtrats dazu. Nur Anträge zu stellen und auf das Beste zu hoffen, reicht nicht aus. Die Bürgerinnen und Bürger wählen uns, damit wir uns für sie einsetzen, demokratisch um Lösungen ringen. Ist man nicht oder nur teilweise anwesend, ist das schwierig bis unmöglich.
Gerne wiederhole ich deshalb das Gesagte von gestern: „Es ist ein Unding Anträge zu stellen und nicht anwesend zu sein!“ – nicht „unverschämt“, wie man dir fälschlicherweise berichtet hat. Es ist gut, dass wir darüber sprechen. So können nun die Bürgerinnen und Bürger sehen und entscheiden, wer ihnen als Interessensvertreter lieber ist: Ein Arzt, der keine Zeit hat oder ein Lehrer, der sein Zeitmanagement im Griff hat. Aus diesem Grund solltest lieber Du Besserung geloben und das Amt, in das dich die Bürgerinnen und Bürger gewählt haben, sorgfältig mit allen Konsequenzen ausfüllen.
Wahre Größe hättest du übrigens dann gezeigt, wenn du nach der Sitzung auf mich zu gekommen wärst und deinem Ärger Luft gemacht hättest – das ist offenes Visier: Aug in Aug. Herzliche Grüße Dein Thomas
P.S.: Die Unsichtbaren hat man fünf Jahre nicht gesehen und ein halbes Jahr vor der Kommunalwahl tauchen sie wieder auf.
Meinung/Satire
Als Wähler haben Sie es nun selbst in der Hand. Getreu der Stimme Susi, aus der früheren Herzblattsendung: Auf wen fällt die Wahl? Kandidat Nummer eins, der Arzt, der wenig Zeit hat, aber im Rahmen seiner beruflichen Möglichkeiten mitgestalten und dem Bürger was zurückgeben will? Oder fällt ihre Wahl auf Kandidat zwei, einen Lehrer, der laut eigenen Angaben sein Zeitmanagement im Griff hat und für den es ein Unding ist, Anträge zu stellen, aber nicht vor Ort zu sein. Oder Kandidat drei, vier, fünf …… Tja, lieber Wähler, jetzt musst Du dich entscheiden. Am 15. März sind die Wahllokale geöffnet.