Mord in einer Kulmbacher Villa: Heute ist das 90 Jahre her und wirft weiterhin Rätsel auf
KULMBACH. Das Tötungsdelikt um Margarete Meußdoerffer war ein Kriminalfall vom 4. November 1929 in Kulmbach, bei dem die 62 Jahre alte Margarete Meußdoerffer, Ehefrau eines angesehenen Fabrikanten, ums Leben kam. Wegen der Tat wurden zwei stadtbekannte Kriminelle verurteilt, doch man munkelt, sie hätten das Geständnis vom Ehemann vergütet bekommen. Heute ist der Mord genau 90 Jahre her, aber noch immer sind die Umstände unklar.
Von dem Fall liegen nur alte Zeitungsberichte vor. Auch die Polizei hat heute keine Unterlagen mehr darüber, über die man recherchieren könnte. Von einem Colde Case Fall kann wohl auch nicht mehr sprechen. Das wäre dann schon ein „Eis-Cold-Case“ nach 90 Jahren. Auch Polizeisprecherin Anne Höfer vom Polizeipräsidium Oberfranken zeigte sich interessiert, verweist aber an die lange Zeit, nach der wohl kaum noch Unterlagen zu finden seien. „Nur ein ungeklärter Mordfall verjährt nie, da gibt es auch keine Speicherungsfristen. Sonst sind diese Fristen aber datenschutzrechtlich festgelegt“, sagt Höfer. So steht es auch im Polizeiaufgabengesetz (PAG).
Ungeklärte Mordfälle gibt es noch einzelne. Diese Cold-Case-Fällen, oft Jahrzehnte alt, werden heute insbesondere mit Hilfe moderner kriminalistischer Spurensicherung und neuen Untersuchungsmethoden sowie aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Tatort- und Täteranalyse erneut bearbeitet. Aber nach 90 Jahren sei das natürlich nicht mehr möglich.
Was ist damals passiert?
Laut der Überlieferung und der archivierten Berichte, sei der Kulmbacher Kommerzienrat Heinrich Meußdoerffer (67) nach einem Kneipenabend am 4. November 1929 spät abends gegen 22.50 Uhr nach Hause gekommen. Später wird er sagen, er habe seine Frau gefesselt und geknebelt aufgefunden. Sie war ohne Bewusstsein, aber einen Arzt habe der Gatte erst am nächsten Morgen gegen 7 Uhr rufen lassen.
Zuvor habe er das Haus nach Einbrechern abgesucht und große Mengen Bier getrunken. Stunden später soll er die beiden Hausangestellten Frieda Tauer und Margarete Ellner geweckt haben. Der Kulmbacher Arzt Dr. Seidel, sei gegen 7.30 Uhr eingetroffen und konnte nur noch den Tod von Margarete Meußdoerffer feststellen. Er informierte die Polizei und der Fall wurde totgeschwiegen. Erst vier Tage später berichtet die örtliche Zeitung vom Tod der Kulmbacher Persönlichkeit.
Meußdoerffer, das ist in Kulmbach auch heute noch ein geläufiger Name. Eng verbunden mit der Brauerei Mönchshof, die auch heute noch sehr bekannt und beliebt ist. 1349 erfolgte die Gründung des Augustiner-Klosters, aus dessen Brauerei sich die „Mönchshof-Brauerei“ entwickelte. Kommerzienrat Heinrich Meußdoerffer (67) gilt als Ehrenmann und erfolgreicher Fabrikant. Die Mönchshof erfreute sich vor dem Krieg bester Umsätze. Kommerzienrat ist ein Ehrentitel, der im Deutschen Reich vor allem bis 1919 an Persönlichkeiten der Wirtschaft verliehen wurde. Die Ehrung erfolgte erst, und zwar keineswegs automatisch, nach erheblichen „Stiftungen für das Gemeinwohl“.
Ehemann in Untersuchungshaft
Doch das Ansehen Meußdoerffers war angeschlagen. Durch den Mord an seiner Frau, rückte der Fabrikant selbst in den Fokus der Ermittler. Oberstaatsanwalt von Rebey, damals zuständig, hegte den schnellen Verdacht, Meußdoerffer habe seine Frau selbst umgebracht. Schon am Folgetag der Tat, wurde Meußdoerffer in Haft genommen. Vier Monate lang. Dann will der Kulmbacher Polizeichef Schiffner eine neue Spur entdeckt haben. Die stadtbekannten Kriminellen, Hans Popp und Fritz Schuberth, sollen in die Villa eingebrochen sein. Im Januar 1930 wurde das Verfahren gegen die beiden Serieneinbrecher eröffnet. Wegen „räuberischen Überfalls mit Todesfolge“.
Die beiden Männer legen zunächst ein Geständnis ab, widerrufen es später aber wieder. Nach Angaben der Bayreuther Zeitung „Fränkische Volksbühne“ will man von Gerüchten gehört haben. Meußdoerffer soll 6.000 Mark Schmiergeld an die Einbrecher gezahlt haben, damit sie gestehen und der Kommerzienrat entlastet wird. Nach dem Widerrruf der Geständnisse fliegt plötzlich das Wohnhaus der beiden Halunken im Oberhacken in die Luft.
Mordprozess gegen Kommerzienrat Meußdoerffer
41 Verhandlungstage wurden angesetzt und auch benötigt. Doch für Meußdoerffer läuft es alles anders als schlecht. Er wird entlastet. Zunächst durch die Zweifel an seiner Schuld. Alles konzentrierte sich auf die anfänglich geständigen Einbrecher. Zudem konnte man damals nicht zweifelsfrei feststellen, ob es sich um eine Erdrosselung handelte (egal ob durch Ehemann oder Einbrecher) oder ob die als herzkrank bekannte Frau an einem Herzversagen starb. Die Verteidigung stützte sich auf diese These. Margarete Meußdoerffer hatte einen Herzklappenfehler und sei durch die Aufregung bei dem Einbruch bzw Überfall gestorben.
Tagelang erfolgte ein gerichtlicher Schlagabtausch der Gutachter. Am Ende glaubte man der Version, Margarete Meußdoerffer sei einem Herztod zum Opfer gefallen. Vielleicht auch wegen dem Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“. Am 8. Juli 1930 werden die Einbrecher Fritz Schuberth und Hans Popp wegen „schweren Raubs mit Todesfolge“ zu viereinhalb bzw. sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Gegen Kommerzienrat Heinrich Meußdoerffer wird nicht weiter ermittelt. Aber ein Freispruch war das nicht. Das publizieren später auch die ansässigen Tageszeitungen in Bayreuth und Kulmbach. Ein Buch über den mysteriösen Todesfall sei damals von der Polizei eingezogen worden. Das berichten später mehrere Zeitzeugen. Beweise gibt es dafür nicht.
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