Jungtiere aus Pegnitz? Mögliche Wolf-Sichtung in einem Wohngebiet in Lauf


LAUF AN DER PEGNITZ. Ein privates Video sorgt derzeit in Facebook für Aufregung. Einzelne Nutzer glauben, einen Wolf erkannt zu haben. Auswertungen von Bayern-Reporter und dessen Jagdexperten Michael Reichert haben bereits zu einer Schlussfolgerung geführt. Demnach ist der Wolf tatsächlich mitten in einem Wohngebiet aufgetaucht. 




Andre Weißbrodt (46) wohnt seit Mitte des Jahres mit seiner Familie an einem Waldgrundstück im Laufer Ortsteil Kotzenhof. Seit August will er verdächtige Geräusche hören. „Klar, das können sämtliche Tiere sein, aber das ist immer zur selben Uhrzeit“, sagt Weißbrodt. Deswegen habe er die in Frage kommenden Uhrzeiten auf seiner Überwachungskamera am Haus näher untersucht. Dabei habe er das Tier entdeckt, das ihm verdächtig vor kam. Er wollte selbst nicht glauben, dass er Auge in Auge mit einem Wolf zusammenlebt. Schließlich hat er vier Kinder im Alter von sechs bis 15 Jahren und auch Haustiere. Natürlich sei man da besorgt, wie er sagt.

Ist das eine Wolfspfote? Jäger aus dem Raum Lauf sagen ja.

Auf den Videos, die im Original noch besser zu erkennen sind, handelt es sich nach ersten Auswertungen aber wohl tatsächlich um einen Wolf. „Ein Canis lupus“, sagt unser Jagdexperte Michael Reichert. Ein junger Grauwolf. Nach der Meldung im Onlineportal bayern-reporter.com hat sich Reichert umgehend auf den Weg gemacht, um die Spuren zu überprüfen. Ein Video ist immer ein guter Ansatz, vor allem bei guter HD-Qualität, sagt Reichert. Aber wichtiger seien die Beweise vor Ort. „Trittsiegel, Losung und so weiter“. In der Nacht zum Dienstag sei der Wolf laut Zeitstempel des Videos gegen 1 Uhr ums Haus geschlichen. Reichert glaubt sogar, dass er am Mittwochmorgen nochmal da war. „Die Spuren waren frisch, vier bis sechs Stunden alt“.



 

Schwer zu erkennen auf dem Foto. Aber drei Experten sind sich sicher: Das ist ein Wolf. Foto: red

Deutliche Spurenlage

Eine Losung, also die Hinterlassenschaften der Wildtiere, konnte nicht gefunden werden. Aber das Trittsiegel, also der Abruck der Pfoten, spreche eine deutliche Sprache, sagt Reichert. Er habe die Spuren vermessen und dokumentiert. Sein Urteil: Eindeutig ein Wolf. Sicherheitshalber habe er im Vorfeld auch bereits nach Tiersuchmeldungen Ausschau gehalten. Denn vermisste Hunde streunen gerne durch die Wälder, wie er berichtet. Doch es gibt hier keine Suchmeldungen und auch die Abdrücke lassen laut seiner Meinung keinen Zweifel zu. Auf den Bildern einer Überwachungskamera sei auch deutlich die Rute und das Gangbild des Wolfes zu sehen. Seine Erkenntnisse habe Reichert auch bereits der Unteren Naturschutzbehörde und dem Landesamt für Umwelt (LfU) mitgeteilt.

Das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) ist hingegen noch nicht ganz davon überzeugt, dass es sich um einen Wolf handelt. Hier hat man sich zunächst auf einen großen Fuchs festgelegt. Dem widersprechen die örtlichen Jäger aber ebenso wie der 46-jährige Anwohner. Auf dem Video sei das Tier deutlich größer als ein Fuchs. Wie Sarah Schölzel vom LfU in Hof mitteilt, müssten die Wölfe aus dem diesjährigen Wurf bereits vollständig ausgewachsen sein. Ihre Pfoten würden eine Breite von mindestens sieben oder acht Zentimetern ergeben, sagt die Expertin. Deren Spuren würden sich zudem nicht mehr eindeutig von denen der Elterntiere unterscheiden lassen. Aber sie müsse sich zunächst noch das Video ansehen und analysieren. Die von Michael Reichert fotografierten Spuren zeigen allerdings bereits eine Mindestbreite von sieben Zentimetern. Alle anderen Tiere hat das LfU bereits ausgeschlossen. Es bliebt also fast nur noch der Wolf übrig, der in der Laufer Wohnsiedlung wohl auch einen Acker durchlaufen ist. Auch hier sieht man deutliche Spuren.



Breit, und tief eingedrückt. Die Experten haben bislang alles außer dem Wolf ausgeschlossen. Fotos: red

Wölfe auf dem Vormarsch

Rund eintausend Meter entfernt vom Sichtungsort sind derzeit Schafe auf der Weide. Im Ortsteil Vogelhof. Ist der Wolf auf der Durchreise und sucht Nahrung? Es sei laut Reichert nicht ausgeschlossen, dass das Jungtier aus dem Rudel bei Pegnitz stammt. Es sei aktuell genau die Zeit angebrochen, wo Jungtiere von ihren Eltern aus dem Rudel getrieben werden. Auf der Suche nach einem eigenen Revier legen sie dann viele Kilometer zurück. Und der nun festgestellte Wolf soll auch im Erdboden gescharrt und gekratzt haben, wie Reichert vor Ort unserem Reporter zeigte. Das bereitet natürlich den Viehhaltern Sorge.



Spurensuche neben dem Einfamilienhaus. Michael Reichert vermisst das Trittsiegel des Tieres. Foto: red

Im September wurden vier Jungwölfe von einer automatischen Videokamera aufgenommen. Es handelt sich um den zweiten Wurf des Wolfspaars im Veldensteiner Forst. Am 11.09.2019 meldete die Polizeidienststelle Pegnitz dem Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) den Fund eines toten wolfsähnlichen Tieres an der BT28 zwischen Pegnitz und Plech. Bei dem toten Tier handelt es sich um einen Wolf, wie die Dokumentationsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) bestätigt hat.



Standbild einer Videoaufnahme von vier Jungwölfen im Veldensteiner Forst. (Quelle: lupovision.de/ baysf)

Bereits zehn Jungtiere bei Pegnitz? 

Das LfU hat Untersuchungen zur Klärung der Todesursache und Individualisierung des Tieres in die Wege geleitet. Nach den vorliegenden ersten Erkenntnissen ist davon auszugehen, dass es sich um einen nicht gemeldeten Wildunfall handelt. Die Behörden, Interessenverbände und Vertreter von Nutztierhaltern vor Ort wurden informiert.

Der Veldensteiner Forst ist ein 6000 ha großes Waldgebiet, das südlich von Pegnitz überwiegend im Landkreis Bayreuth liegt. Im April 2017 wurde erstmals ein Wolf nachgewiesen; seit März 2018 lebt dort ein Wolfspaar. Im Sommer 2018 wurden vier Jungtiere beobachtet. Unterdessen soll das Paar bereits einen neuen Wurf mit sechs Tieren haben, der sich aber noch im Rudel befindet. Das berichten Waldbesitzer und Jäger. Eine offizielle Bestätigung liegt darüber noch nicht vor.



Privates Foto: Wolf bestätigt

Bereits am 26. Februar 2019 wurde im östlichen Teil des Landkreises Neustadt an der Waldnaab ein wolfartiges Tier von einer automatischen Fotofalle fotografiert. Experten des LfU und der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) haben auf dem Foto dann tatsächlich einen Wolf identifiziert. „Das Tier weist wolfstypische Merkmale hinsichtlich Färbung und Proportion auf, die es von einem Hund unterscheiden.“, heißt es in einer Pressemitteilung der LfU. Vor Ort konnten genetische Proben genommen werden. Sie wurden zur Analyse an das nationale Referenzlabor geschickt um weitere Hinweise zu Geschlecht und Herkunft des Tieres zu erhalten. Behörden, Interessensverbände und Vertreter von Nutztierhaltern wurden informiert.

Foto: Privat

Nach Bayern können jederzeit einzelne Wölfe zu- oder durchwandern, sowohl aus dem Nordosten Deutschlands als auch aus den Alpen. Jungtiere wandern bei Geschlechtsreife weite Strecken auf der Suche nach einem eigenen Territorium. Standorttreue Wölfe gibt es in Bayern im Veldensteiner Forst rund um Pegnitz, im Nationalpark Bayerischer Wald und auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr und in der Rhön. Weitere bestätigte Sichtungen von Wölfen: Bad Kissingen (20.9.2019, 3.9.2019, 9.8.2019,26.5.2019, 15.4.2019), Kronach (19.05.2019), Wunsiedel (12.04.2019), Tirschenreuth (22.03.2019), Erlangen (22.03.2019),  Bamberg (13.3.2019) neustadt/WN (26.02.2019), Regensburg (7.1.2019).



„Häufig gestellte Fragen (FAQs)“ fasst das LfU in seinem Internetangebot zusammen unter:
http://www.lfu.bayern.de/natur/wildtiermanagement_grosse_beutegreifer/wolf/doc/faq_wolf.pdf

Weitere Informationen zum Wolf, insbesondere auch zu den Kriterien des standardisierten Monitorings und früheren Wolfsnachweisen in Bayern, sind im Internetangebot des LfU zu finden unter:
http://www.lfu.bayern.de/natur/wildtiermanagement_grosse_beutegreifer/wolf/index.htm





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