Erfolgreiche Kennzeichenerfassung: So arbeitet die Bayerische Polizei
BAYERN. Die Technik ist fehlerhaft und Datenschützer kritsieren das pauschale Scannen von Fahrzeugen auf bayerischen Autobahnen. Doch der Erfolg spricht Bände: Zahlreiche Autoschieber, Gewaltverbrecher und Vermisste konnten durch diese Methode bereits gestoppt werden. Auch in Oberfranken, Mittelfranken und in der Oberpfalz gibt es die Kennzeichen-Erfassungsanlagen.
In Rücksprache mit der Polizei haben wir uns bereiterklärt, keine genauen Angaben über die Standorte der Anlagen zu machen. Doch als Autofahrer auf nordbayerischen Autobahnen ist man ein offenes Buch. Ob es nun gefährliche Straftäter, Autoschieber oder dringend Vermisste sind. Wer mit einem zur Fahndung ausgeschriebenen Kennzeichen erfasst wird, bekommt Polizeigeleit.
Denn umgehend erfolgt eine Meldung an die nächstgelegene Einsatzzentrale. Von dort aus werden dann je nach Anlass zahlreiche Streifenbesatzungen zusammengezogen und das Fahrzeug gestoppt. Eine Flucht ist nahezu ausgeschlossen, denn in Bayern werden auch Hubschrauber und so genannte Stopsticks eingesetzt. Auf diese Art und Weise konnten schon zahlreiche Fahndungstreffer als Erfolg verbucht werden. Darunter auch ein gesuchter Mörder aus Köln, der an der Autobahnanschlussstelle Bayreuth Süd gefasst wurde.
Es ist das tägliche Geschäft der Behörden. Jedes Auto wird gescannt und überprüft. Nicht selten werden auch unbescholdene Bürger gestoppt. Datenschützer sind empört, doch das Vorgehen ist legitim und wichtig zugleich.

Kritik an der Kennzeichenerfassung
Obwohl das Konzept aufgeht und die Kriminalität dadurch bekämpft werden kann, kritisieren Datenschützer das pauschale Vorgehen der Polizei. Doch auch nach mehreren Gerichtsverfahren darf der Freistaat Bayern auch weiterhin Millionen Autokennzeichen erfassen und die Daten zur Verbrechensbekämpfung einsetzen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in dritter Instanz entschieden (Az.: BVerwG 6 C 7.13).
Zuvor hatte ein in Bayern und Österreich wohnender Informatiker geklagt – mit dem Argument, Autofahrer würden im Freistaat unter einen Generalverdacht gestellt. Das greife deren Persönlichkeitsrechte sowie das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung an. Laut Gericht liegt jedoch kein Eingriff in die Datenschutzrechte vor. Nummernschild und Gerätestandort würden nur dann dauerhaft gespeichert, wenn das Kennzeichen in einer Datenbank erfasst und beispielsweise zur Fahndung ausgeschrieben ist.
Es sei „rechtlich und technisch gesichert, dass die Daten anonym bleiben und sofort spurenlos und ohne die Möglichkeit, einen Personenbezug herzustellen, gelöscht werden, sofern kein Fahndungstreffer vorliege“, heißt es in der Urteilsbegründung.
„Ich sehe die bayerische Praxis der Kennzeichenerfassung sehr skeptisch“, sagt Thomas Petri, der bayerische Landesbeauftragte für Datenschutz. Petri bemängelt vor allem die Heimlichkeit, mit der in Bayern und Baden-Württemberg die Daten gesammelt werden. Denn Autofahrer würden nicht merken, dass ihre Kennzeichen gescannt werden. „Dadurch könnte der Eindruck entstehen, dass man sich nicht ungestört bewegen kann.“
Dauerhafter Scan statt situationsbedingter Einsatz
In Bayern und Baden Württemberg werden die Nummernschilder vorwiegend verdeckt gescannt. Auch in Mittel -und Oberfranken hängen die Scanner über der Autobahn. Ähnlich ist es in Brandenburg, wo die Nummernschilder aber nur bei relevanten Gefahren und konkretem Verdacht überwacht werden. Auch in Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Thüringen und im Saarland erfassen die Behörden Autokennzeichen. Dies geschieht aber meist nach einem offenen System. Die mobilen Geräte werden für Autofahrer gut sichtbar aufgestellt und von uniformierten Polizisten bedient, um Transparenz zu schaffen. Nicht so in Nordbayern, wo rund um die Uhr entsprechend alle Kennzeichen pauschal erfasst werden.
Polizei nutzt Sonderregelung
Laut eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 2008 darf „die automatisierte Erfassung von Kraftfahrzeugkennzeichen nicht anlasslos erfolgen oder flächendeckend durchgeführt werden“. Zudem weist das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass personenbezogene Daten gemäß § 13 Abs. 7 Satz 1 HSOG grundsätzlich offen zu erheben sind. „Eine automatisierte Erfassung von Kraftfahrzeugkennzeichen zwecks Abgleichs mit dem Fahndungsbestand greift dann, wenn der Abgleich nicht unverzüglich erfolgt und das Kennzeichen nicht ohne weitere Auswertung sofort und spurenlos gelöscht wird, in den Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) ein.“ Anders ausgedrückt: Erfolgt der Datenabgleich unverzüglich und werden erfasste Kennzeichen, die keinen Treffer in einer Fahndungsdatenbank hervorgerufen haben, sofort wieder gelöscht, ist die Erfassung zulässig.
Funktionsweisen der Scanneranlagen
Die stationären Geräte arbeiten mit einer Kamera, die den fließenden Verkehr auf einer Fahrspur von hinten beobachtet. Mit einem nicht sichtbaren Infrarotblitz erfasst sie die Kennzeichen aller durchfahrenden Fahrzeuge und erstellt ein digitales Bild. Mobile Anlagen funktionieren ähnlich, werden aber am Fahrbahnrand aufgestellt. Aus dem Bild wird mit einer speziellen Software ein Datensatz mit den Buchstaben und Ziffern des Kennzeichens erstellt. Am Fahrbahnrand befindet sich in einem verschlossenen Behälter ein stationärer Rechner, der den Datensatz mit den auf ihm gespeicherten Fahndungsdateien abgleicht. Bei mobilen Geräten befindet sich dieser Rechner in einem am Erfassungsort abgestellten Polizeifahrzeug.
Bei acht Millionen erfassten Kennzeichen registrieren die Geräte zwischen 50 000 und 60 000 Übereinstimmungen in den Datenbanken. Schlägt die Anlage Alarm, gleicht ein Polizeibeamter manuell das tatsächliche Bild mit dem Datenbankeintrag ab. Nur 500 bis 600 erfasste Bilder, also nur etwa ein Prozent aller vom System gemeldeten Datenbanktreffer, erweisen sich als richtig. Alle anderen vermeintlichen Treffer muss die Polizei unverzüglich löschen, ohne die Identität des Halters zu ermitteln. In den übrigen Fällen wird die Großfahndung im betroffenen Autobahnabschnitt ausgelöst. In der Presse heißt es dann: „…den Beamten fiel das Fahrzeug während ihrer Streife auf…“.
Auch unschuldige Bürger werden vehement gestoppt
Es gibt noch weitere, nicht technisch bedingte Fehlerquellen. „Neben der Technik sind die Polizisten die zweite Sollbruchstelle“, sagt Datenschutzexperte Petri. So könnten in der Fahndungsausschreibung Fehler passieren. Sei es ein Zahlendreher im System oder bereits erledigte Fahndungen. Letztere werden laut Petri oftmals vergessen zu löschen. Nicht selten wird ein Fahrzeughalter dann von mehreren Streifen gestoppt, wenn er zum Beispiel gerade sein gestohlenes Auto von der Polizei zurückbekommen hat.
Erfolg gibt Recht
Für Joachim Herrmann (CSU) ist die automatisierte Kennzeichenerkennung (AKE) ein wichtiges polizeiliches Einsatzmittel, um Gefahren abzuwehren und Straftaten zu unterbinden. Der bayerische Innenminister beruft sich auf zahlreiche Festnahmen von illegalen Schleusern und Verbrechern. Auch Autoschiebereien sollen damit eingedämmt und Drogenkuriere bekämpft werden. Auch die von Reporter24 und Westfälischer Zeitung berichteten Festnahmen (Jaguar überschlägt sich nach Verfolgungsfahrt, Kölner Mörder in Bayreuth gefasst, u.s.w.) basieren auf diese von Herrmann bezeichneten AKE-Treffer.