Unterschlupf für Winterschläfer: Wann muss ein Igel „gerettet“ werden


SERVICE. Wer Igel fit für den Winter machen will, sollte vor allem seinen Garten fit für Igel machen, wie der Bund Naturschutz mitteilt. Denn Gärten sind für die stacheligen Tiere wichtige Lebensräume. Das ideale Winterquartier besteht aus einem Haufen aus totem Holz, Reisig und Laub. Doch wann müssen Igel gerettet werden? 




Schon ab Mitte Oktober wird das Nahrungsangebot für Igel deutlich knapper, die Alttiere beginnen ihr Winternest zu bauen und Jungigel versuchen noch weiter an Gewicht zuzulegen. Das ideale Winterquartier besteht laut NABU aus einem Haufen aus totem Holz, Reisig und Laub. Ihre Winterquartiere suchen die Igel bei anhaltenden Bodentemperaturen um null Grad auf.

Schutz gegen Kälte finden sie in Erdmulden, unter Hecken oder eben in Reisighaufen. Neben natürlichen Unterschlupfmöglichkeiten kann man zusätzlich ein Igelhäuschen aufstellen. Wer Tieren einen dauerhaften Platz bieten möchte, kann den Reisighaufen mit einer Basis aus Feldsteinen versehen.

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Falsche Tierliebe

Manche verspätete Jungigel sind jetzt noch tagsüber unterwegs, um sich weitere Fettreserven anzufressen. Diese Tiere sollten nicht aus falsch verstandener Fürsorge aufgenommen werden. Nur wenn ein Igel auffallend unterernährt oder krank ist, sollte er versorgt oder einer Igelstation übergeben werden. Unterkühlte Igel werden gewärmt mit einer in einem Frotteehandtuch umwickelten, lauwarmen Wärmflasche.

Gefüttert werden sollte nur nicht verderbliches Feucht- oder Trockenfutter für Katzen, keinesfalls Speisereste oder Dosenfutter. Igel brauchen viel Eiweiß und Fett, die aufgenommen Kohlenhydrate durchs Insektenfressen sind unverdaulich und dienen lediglich als Ballaststoffe. Deshalb ist auch Hundefutter aufgrund seiner im Vergleich zum Katzenfutter proteinärmeren und kohlenhydratreicheren Zusammensetzung nicht geeignet. Frisst der Igel in der Nacht nach der Aufnahme nicht, muss der Tierarzt aufgesucht werden.



Igel draußen lassen

Ab Mitte November schlummern die meisten Igel. Von kurzen Unterbrechungen abgesehen verschlafen sie die kalte Jahreszeit bis in den März oder April. Bei Schlechtwetterperioden nutzen die eifrigen Insekten- und Schneckenvertilger diese Winterquartiere teils noch bis in den Mai hinein. Da die schlafenden Tiere bei Störungen nicht reagieren, also nicht fliehen können, heißt das für den Garten: Einmal geschaffene Unterschlupfe während des Winterhalbjahres bitte nicht mehr umsetzen. Vorsicht gilt auch beim Beseitigen von Sträuchern, beim Mähen unter tief liegenden Zweigen, beim Umgang mit Motorsensen und Balkenmähern.

Lange Zeit galt das Einsammeln kleiner Igel im Herbst und die Überwinterung im Haus als probates Mittel, dem Wildtier Igel Überlebenshilfe zu geben. Die gut gemeinten Aktionen erwiesen sich jedoch als wenig hilfreich und werden nicht mehr praktiziert. Stattdessen steht heute ein ganzes Maßnahmen-Paket im Vordergrund, das Igeln dort zum Überwintern hilft, wo sie zuhause sind: draußen in der Natur.



Freier Zutritt in den Igelgarten

Ideale Igelgärten sind naturnah gestaltet und bewirtschaftet. Das heißt: Viele Naturelemente wie Hecke, Teich, Obstbaum, Steinmauer oder Wiese finden Platz und auf Mineraldünger und chemische Bekämpfungsmittel wird verzichtet. Der Rasen wird nicht ständig gemäht, gedüngt und gewässert, die Hecke nur selten geschnitten, nicht jedes Kräutlein gejätet und jedes Laubblatt abgesaugt. Alternativ kommen „sanfte“ Methoden der Bodenbearbeitung, Düngung, Kompostierung und Schädlingsbekämpfung zum Einsatz.

Essentiell für Igel sind Unterschlupfe und Verstecke wie Holzbeigen, Geschirrhütten, Wurzelwerk, Trockenmauern, Treppenaufgänge, Kompostmieten, Hecken und Reisighaufen. Dort verkriechen sie sich tagsüber oder legen ihre Winternester an. Ergänzend können selbst gezimmerte Igelhäuschen oder aus Holzbeton gefertigte Igelkuppeln angeboten werden, die mit Laub gefüllt werden.

Igel sind nachts sehr mobil und brauchen freien Zutritt zu Gärten: Hermetisch schließende Zäune und Mauern müssen passierbar sein für nächtliche Streifzüge. Kellertreppen, Lichtschächte und Regensammelgefäße sind oft gefährliche Fallen, die aber einfach entschärfbar sind. Reichlich Fressbares finden Igel in Gebüschen, an Trockenmauern, unter Obstbäumen und auf Rasenflächen. Im nahrungsknappen Frühjahr und Herbst können zusätzliche Futterstellen – mit Igeltrockenfutter vermischtes Katzendosenfutter – hilfreich sein, wenn sie bestimmte Kriterien an Aufbau und Hygiene erfüllen. Und für alle Lebewesen ist Wasser lebenswichtig: Igel und viele andere Tiere profitieren von regelmäßig befüllten Vogeltränken oder Gartenteichen.



Endziel Auswilderung

In Parkanlagen, Gärten und Siedlungsrändern teilt der Igel mit dem Menschen den Lebensraum. Dies führt einerseits zu spezifischen Gefahren wie Tierfallen oder Straßenverkehr, andererseits zum Auffinden verletzter oder kranker Tiere. Dank des putzigen Kindchenschemas ist die Hilfsbereitschaft gegenüber Igeln besonders groß. Doch die Inpflegenahme oder Hausüberwinterung muss die absolute Ausnahme bleiben und kann immer nur die baldige Auswilderung zum Ziel haben. Igel sind Wildtiere, sie sind weder zu zähmen, noch als Haustier zu halten.

Auch wenn sie noch so verlockende Hausgenossen sind, gehören sie weder als Mitbewohner noch als Pflegling in Küche, Wohn- oder Kinderzimmer. Rechtfertigende Ausnahmen für die Aufnahme in menschliche Obhut sind mutterlose, unselbständige Jungtiere, verletzte und kranke Igel, sowie Tiere, die am Tag oder bei Frost und Schnee angetroffen werden. Mit Quartier und Futter ist es jedoch bei weitem nicht getan: Die fach- und tiergerechte Betreuung eines Pfleglings braucht Erfahrung, tägliche Zuwendung und verursacht Mühe und Kosten, was nur zusammen mit Igelstationen und Tierärzten geleistet werden kann.



Qualitätsmaßstäbe für Igelstationen

Für kompetente Igelstationen gilt eine Liste von Qualitätskriterien bezüglich der Räumlichkeiten, Hygiene, Qualifikation des Personals, Kooperation mit igelkundigen Tierärzten, Medikamentenausstattung und ausführlicher Dokumentation der Fälle. Fehlen Unterbringungsmöglichkeiten spricht man von Igelberatungsstellen, die fachliche Unterstützung geben und zum Beispiel prüfen helfen, ob ein aufgefundener Igel überhaupt betreut werden muss. Oft können die Tiere noch im selben Herbst der Natur zurückgegeben werden.

 

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Nach Versorgung bei Igelstation, Beratungsstelle oder Tierarzt sollten Igelfinder ihr Tier selbst betreuen, wenn die Voraussetzungen wie geeignete Räume, Ernährung und tägliche Betreuung gegeben sind. Die einzelgängerischen Igel werden einzeln in geräumigen Gehegen mit Schlafhäuschen untergebracht. Manche Igel müssen den Winter als Pflegling verschlafen. Dabei gibt es viele Aspekte zu berücksichtigen, ebenso bei der Vorbereitung und Durchführung der Auswilderung im Frühjahr.

Und alle Hilfe hat Grenzen: Nicht jeder Igel ist um jeden Preis zu retten. In solchen Fällen ist mit Igelstation und Tierarzt zu klären, welche Maßnahmen sinnvoll sind oder nicht. Gewisse Verluste vermag eine gesunde Igelpopulation zu verkraften – und ihr eine optimale Lebensgrundlage zu bieten, ist vorrangige Aufgabe bei der Igelhilfe.



Was der Einzelne tun kann

  • Bieten Sie in Ihrem Garten Unterschlupf- und Nistmöglichkeiten wie niedriges Buschwerk, Laub- und Reisighaufen für Igel an.
  • Schaffen Sie Überwinterungsquartiere, indem Sie zum Beispiel ein Igelhäuschen bauen.
  • Verzichten Sie auf englischen Rasen und exotische Gehölze im Garten.
  • Gestalten sie Ihren Garten ohne kleinmaschige Zäune, damit sich Igel frei fortbewegen können.
  • Kein Abbrennen von Reisighaufen ohne vorheriges vorsichtiges Umsetzen.
  • Vorsicht beim Mähen sowie bei Aufräumungs- und Rodungsarbeiten: In Haufen und Holzstapeln können sich Igelnester befinden.
  • Kellerschächte und Gruben sind Tierfallen, die abgedeckt werden sollten.
  • Baugruben, Kabel- und ähnliche Gräben (auch an Straßen) auf hineingefallene Igel kontrollieren und Opfer aus ihrer misslichen Lage retten.
  • Rettungsplanken für Teiche und an Wasserbecken mit steilem, glattem Rand anbringen, damit sich Igel im Notfall selbst retten können.
  • Keine Schlagfallen aufstellen und keine Vogel-Schutznetze am oder bis zum Boden verwenden.
  • Kein unnötiger Chemieeinsatz im Garten: Schöpfen Sie bei der Schädlingsbekämpfung umweltverträgliche Alternativen aus.
  • Sorgen Sie regelmäßig für frisches Trinkwasser, zum Beispiel mit einem Vogelbad oder einer Tränke im Garten.
  • Verzichten Sie auf Laubsauger.

Stefan Bosch, BUND





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